Zu den Hintergründen der umstrittenen staatlichen „Stiftung für Klima- und Umweltschutz MV“ sind neue Details bekannt geworden. Aus Aufzeichnungen der NDR-Landesregierung geht hervor, dass Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) die Einzelheiten der Gründung gekannt haben muss. von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV Aktuell Viele der knapp 1.000 Seiten zweier Archive, die die Landesregierung auf Anfrage der „Welt am Sonntag“ vielen anderen Medien zur Verfügung gestellt hat, sind geschwärzt – konkrete Namen sind unkenntlich geworden, etwa die Verantwortlichen von Nord Stream 2 AG. Beeindruckend ist, dass auch die Gründungsgeschichte der Institution nicht in den Akten auftaucht. Die ersten E-Mails kamen im Herbst 2020, aber die Idee zur Gründung wurde schon lange vorher geboren.
“Blasphemische Formulierung im Norddeutschen: Läääuuuft.”
Aus den von der Staatskanzlei veröffentlichten Unterlagen geht hervor, dass die treibende Kraft der damalige Energieminister Christian Level (SPD) war. Allerdings sei die Ministerin eng mit der Staatskanzlerin von Ministerpräsident Schwesig abgestimmt. Es gingen diverse E-Mails an Staatskanzleichef Heiko Geue (SPD) ein. So teilte Leve Geue am 23. November 2020 mit, dass die Nord Stream 2 AG „drei Änderungen in meinem Herzen“ bezüglich der von ihr eingeführten Satzung habe. Am 24. November – drei Tage vor der geplanten und dann verschobenen Gründung der Stiftung im Landtag – schrieb Pegel dem „lieben Heiko“ freudig, dass das Justizministerium keine Einwände gegen die Gründung der Stiftung habe. Der Minister begeistert: „Sicher norddeutsch formuliert: Läääuuuft“. Mehr Informationen Ministerpräsident Schwesig (SPD) hat dem ehemaligen Energieminister die Hauptverantwortung für die umstrittene Institution übertragen. mehr
Umweltminister Bacchaus ist zurückgetreten
Aus den Akten geht nicht hervor, warum die Einrichtung nicht am 27. November eröffnet wurde. Klar ist aber, dass die SPD sowohl den Koalitionspartner CDU als auch die Linke auf den Weg gebracht hatte. Zwischenzeitlich gab es offenbar Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Landesregierung. Landwirtschafts- und Umweltminister Till Backhaus (SPD) forderte eine stärkere Wirkung des Naturschutzes. Das spätere Vorstandsmitglied, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), wollte Backhaus nicht an Bord haben. Der zweite Anlauf zur Gründung der Stiftung erfolgte dann Ende des Jahres 2020/2021. Aufzeichnungen zeigen erneut einen sehr beschäftigten Energieminister, der versucht, sich mit der Staatskanzlei abzustimmen. Die Entscheidung im Kabinett am 5. Januar und die Einsetzung zwei Tage später in einer Sondersitzung des Landtags erfolgten mit heißer Nadel. Es gab einen intensiven E-Mail-Austausch zwischen der Ebene und dem Chef der Staatskanzlei, Geue. Die Papiere erwecken den Eindruck, als hätten die beiden nichts anderes zu tun.
Ein Vertreter von Nord Stream, der für günstige Berichte kämpft
Im Hintergrund ertönte immer wieder „Communications Manager Germany“ von Nord Stream 2. Der Name wurde aus den Akten gelöscht, es konnte aber nur Steffen Ebert sein. In der Presse ist er als jemand bekannt, der auch versucht hat, dem Pipeline-Projekt und der Stiftung eine günstige Berichterstattung aufzuzwingen. Ebert war dabei mehrfach in den Top-Runden zwischen Nord-Stream-2-CEO Matthias Warnig und Schwesig und Geue dabei. Ebert äußerte vor einem von der Landesregierung geplanten Gespräch mit Journalisten einen äußerst seltsamen Wunsch. Man wünsche sich, „dass ein Mitarbeiter unserer Agentur aus Berlin an der Aufnahme und Aufnahme von Stellungnahmen sowie Fragen und Antworten teilnimmt“.
Stiftung als „intelligente Antwort“ auf US-Sanktionsdrohungen
Das Aufzeichnen vertraulicher Gespräche wird im Allgemeinen als Straftat angesehen, aber führende Führungskräfte von Nord Stream 2 haben höchst umstrittene Vorschläge dafür gemacht. Offensichtlich kannten sie das Problem nicht. Eberts Chef Warnig war vor 1990 Stasi-Offizier. Die Diskussion im Hintergrund fand nicht statt. Die Staatskanzlei teilte derweil mit, der Antrag sei ohnehin nicht gestellt worden. Ebert, der Nord-Stream-Mann, versuchte auch, die Pipeline und die Idee der Stiftung an die Öffentlichkeit zu bringen. Er schlug vor, „die Stiftung im Handumdrehen als ‚kluge Antwort‘ auf das kompromisslose Verhalten der Vereinigten Staaten zu gründen“. Genau diese Strategie der Öffentlichkeitsarbeit verfolgte die Landesregierung. Ministerpräsident Schwesig hat die Stiftung wegen der Androhung von US-Sanktionen gegen an der Pipeline beteiligte Unternehmen wiederholt verkauft. Das stiftungseigene Unternehmen musste dafür sorgen, dass diese Sanktionen umgangen wurden. Am Ende sicherte die Stiftung die Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2. Das Projekt wurde jedoch wegen der russischen Offensive in der Ukraine gestoppt. Schwesig will nun auch die Stiftung auflösen.
Die Basis macht Probleme
Auch nach der Gründung gab es noch Probleme mit der Stiftung: Aus den Dossiers geht hervor, dass etwa der von Schwesig einberufene Zukunftsrat Bedenken hatte. Zudem konnte Schwesig den Vorstand der Institution nicht neu besetzen. Immer wieder lehnten Kandidaten die Landesregierung ab – der wichtige Beirat wurde noch nicht benannt.
Prüfungsausschuss im Mai
Ab Mai wird sich ein Wissenschaftlicher Ausschuss des Landtags mit der Geschichte der Stiftung befassen. Schon jetzt ist klar, dass die knapp 1.000 Seiten zweier Mappen dem Ausschuss nicht reichen werden. Die Lücken sind einfach zu groß. Mehr Informationen Die umstrittene Klimaschutzinstitution des Landes wird der SPD-geführten Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern immer mehr zur Last. mehr Das hatte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Erwin Selling (SPD), bereits am Montag angekündigt. mehr Ein Untersuchungsausschuss des Schweriner Landtags soll die Hintergründe der umstrittenen Klimastiftung klären. mehr MV Ministerpräsidentin Schwesig hat sich von Teilen ihrer Russland-Politik distanziert und einen Fehler eingeräumt. Ihre Kritiker haben Zweifel. mehr Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Hörfunk MV | Die Nachrichten 13.04.2022 | 19.00.