Gleichzeitig suchen viele Unternehmen händeringend nach neuen Mitarbeitern. Fast 22.000 offene Stellen sind beim AMS gemeldet und die Zahl der Lehrstellen ist mehr als doppelt so hoch wie die Zahl der Lehrstellenbewerber. Allerdings sind nur rund zwei Drittel der verfügbaren Ausbildungsplätze im AMS gelistet, sodass der Nachwuchsmangel noch dramatischer ausfallen dürfte. Über diese Entwicklungen und langfristigen Prognosen sprach Werner Fetz im Interview mit „Niederösterreich heute“ mit Sven Hergovich, Geschäftsführer des AMS Niederösterreich.
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ORF Im Vergleich zum Vorjahr ist die Arbeitslosigkeit in Niederösterreich um fast ein Viertel gesunken. ORF Im Vergleich zum Vorkrisenniveau im Jahr 2019 ist es mindestens ein Fünftel weniger noe.ORF.at: Pandemie, Krieg in der Ukraine, Inflation, Energieversorgung – all diese turbulenten Konjunkturszenarien, aber gleichzeitig optimistische Arbeitslosenzahlen. War das zu erwarten? Sven Hergovich: Im Moment haben wir noch eine sehr gute Situation auf dem niederösterreichischen Arbeitsmarkt. Das hat damit zu tun, dass zwei Drittel der Arbeitnehmer, die während der Pandemie kurzzeitig nicht gearbeitet haben, Geld sparen konnten. Sonst hätten sie es woanders ausgegeben, zum Beispiel in einem Mittelmeerurlaub. Diese wird nun zum Beispiel in Hausrenovierungen, Erweiterungen oder zusätzliche Verbrauchernachfrage investiert. Deshalb haben wir derzeit so viele Mitarbeiter wie nie zuvor in Niederösterreich. noe.ORF.at: Gleichzeitig steigen aber die Kosten und man fragt sich, ob wir im Herbst noch Erdgas haben werden. Müssen wir befürchten, dass sich diese guten Zahlen mittelfristig verschlechtern? Hergovich: Ich gehe davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in Niederösterreich im Sommer weiter sinken wird. Allerdings gehen wir auch davon aus, dass wir im Winter wieder einen saisonalen Anstieg haben werden. Sie haben es erwähnt, wir haben viele Risikofaktoren. Zum einen die Krise in der Ukraine und zum anderen die Inflation. Das dritte sind mögliche weitere Lockdowns. Eigentlich müssen wir uns auf alle Szenarien vorbereiten. noe.ORF.at: Erwarten Sie einen neuen Lockdown? Andererseits, welche Szenarien sind geplant, wenn die Energie nicht ausreicht und die energieintensiven Industrien stillgelegt werden? Hergovich: Wenn es solche Einschränkungen gibt, dann setzen wir wieder auf das bewährte Instrument der Kurzarbeit. Ein Drittel aller Arbeitsplätze wurde auf dem Höhepunkt der CoV-Krise in Niederösterreich durch Kurzarbeit gesichert. Dies wird auch in einer möglichen neuen Krise das Mittel der Wahl sein. noe.ORF.at: Für beide Varianten, Energie und Pandemie? Hergovich: Für beide Varianten, ja. ORF Sven Hergovich (rechts) im “Niederösterreich heute”-Interview mit Werner Fetz noe.ORF.at: In vielen Bereichen zeichnet sich bereits ab, dass die Babyboomer-Generation das Rentenalter erreicht. Glauben Sie, dass wir generell in eine Phase des Arbeitskräftemangels eintreten? Hergovich: Das hängt auch vom Wirtschaftswachstum ab, aber wenn es der Wirtschaft so gut geht, dann wird das tatsächlich passieren. Dann werden wir sehen, dass dieser Arbeitskräftemangel weiter zunimmt. Insbesondere ab 2027 gehen wir davon aus, dass sich die Situation deutlich verschlechtern wird – wobei ich sagen möchte, dass die Situation für viele Betroffene auch etwas Positives ist. Außerdem arbeiten in Niederösterreich 22.000 Menschen mehr als vor Beginn der CoV-Krise. noe.ORF.at: In der Gastronomie wird dringend Personal gesucht. Warum dort? Hergovich: Das hat damit zu tun, dass viel mehr Leute arbeiten. Wenn sie mich fragen, wo all die Arbeiter hingegangen sind, antworte ich, dass die Mehrheit von ihnen tatsächlich arbeitet. 22.000 Erwerbstätige mehr als vor Beginn der CoV-Krise ist ein beachtlicher Wert, der erklärt, warum wir heute eine so niedrige Arbeitslosigkeit haben. Wir liegen nicht nur deutlich unter dem Vorkrisenniveau, sondern haben im Most- und Waldviertel sogar Vollbeschäftigung. noe.ORF.at: Wie sehr können Langzeitarbeitslose von dieser enormen Nachfrage profitieren? Hergovich: Von dieser guten Situation haben die Langzeitarbeitslosen stark profitiert. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist nicht nur deutlich niedriger als vor der Krise, sondern hat sich im Vergleich zum Vorjahr auch mehr als verdoppelt. Darauf sind wir sehr stolz. Nirgendwo sinkt die Langzeitarbeitslosigkeit schneller als in Niederösterreich. noe.ORF.at: Vielen Dank für Ihre Bewertung.