21.07.2022, 00:18 Uhr
Die Antwort auf die ausbleibenden russischen Gaslieferungen geht auf Kosten der Umwelt. Kohlekraftwerke sollen den Energieengpass eindämmen. Dabei baut die Branche logistisch seit Jahren ab. Um den Gasverbrauch in Deutschland zu senken, soll weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen werden Kohlekraftwerke stärker zum Einsatz kommen, beschließt der Bundestag Anfang Juli. Das Unterfangen des Wirtschaftsministeriums könnte allerdings an der deutschen Logistik scheitern. “Die Steinkohle-Branche war nicht darauf vorbereitet, dermaßen in die Bresche zu springen”, sagte Alexander Bethe, Vorsitzender des Vereins der Kohlenimporteure, der “Bild”-Zeitung. Bahn und Binnenschiffe seien auf die plötzliche Nachfrage nicht vorbereitet. “Unsere Branche ist seit 2016 stark geschrumpft. Zwischen 2016 und 2020 hatten wir einen Mengenrückgang um rund 50 Prozent. Entsprechend hat sich die Logistik angepasst”, sagte Bethe. Das betreffe sowohl Personal als auch Material. Habeck sehe die Branche als Notnagel für einen Winter. Die Betriebe hätten aber keinerlei Anreiz, in Personal und Geräte zu investieren, “wenn all das im Frühjahr 2023 nicht mehr gebraucht werden soll”. Bethe forderte dahingehend “eine 5-Jahres-Perspektive”. Wegen der kritischen Energiesituation will die Bundesregierung den Transport von Kohle und Öl per Bahn allerdings beschleunigen. Entsprechende Güterzüge sollten “Vorrang im Netz erhalten”, sagte Verkehrs-Staatssekretär Michael Theurer der “Stuttgarter Zeitung”. Eine entsprechende Regelung sei in Arbeit.
Auch Pegelstände bereiten Sorgen
Der vorrangige Transport auf der Schiene solle die Beförderung auf den Wasserwegen ergänzen. “Wir müssen auch bei niedrigen Pegelständen für die Schifffahrt sicherstellen, dass Öl- und Kohlekraftwerke ausreichenden Nachschub erhalten”, sagte Theurer. Laut dem Industrieverband BDI liegen die ersten Pegelstände bereits unterhalb des Niveaus von 2018, als deutsche Flüsse außergewöhnlich wenig Wasser führten. Der Verband fürchtet daher einen Stillstand der Binnenschifffahrt. In Deutschland sollen einzelne Kohlekraftwerke länger laufen. Habeck hatte erklärte, Deutschland werde “für eine Übergangszeit mehr Kohlekraftwerke” einsetzen, so “bitter” es sei. Die Bundesregierung betont jedoch: Am vorgezogenen Kohleausstieg im Jahr 2030 wird nicht gerüttelt. Europa selbst verfügt insbesondere über Braunkohle – diese ist auch im Vergleich zur Steinkohle besonders umweltschädlich. Da russische Kohle ab August nicht mehr in die EU importiert werden darf, müssen andere Lieferanten gefunden werden. Laut dem Verein der Kohlenimporteure (VDKI) könnten russische Kohleimporte aber schnell durch Lieferungen aus Ländern wie Kolumbien, Südafrika, Australien, Mosambik und Indonesien ersetzt werden.