08.04.2022, 22:07 Uhr

Vertrauliche Dokumente des SPD-Parteifunktionärs landeten regelmäßig im Büro von Konrad Adenauer. Der erste deutsche Bundeskanzler soll sie ausgiebig studiert haben. Die Spitzel beschwerten sich sogar bei Genossen, dass ihre Wahlkampfunterlagen für die CDU nicht sexy seien. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hat der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, die SPD fast zehn Jahre lang bespitzelt. Dies geschah mit Hilfe eines Informanten an der Spitze der Partei, berichtete die Zeitung. Fast 500 vertrauliche Berichte des SPD-Parteivorstands gelangten auf diesem Weg ins Kanzleramt. Adenauer, der von 1949 bis 1963 regierte, wurde häufig noch am selben Tag durch Informanten des Bundesnachrichtendienstes (BND) über Gespräche und Pläne der SPD informiert. Das geht aus den Aufzeichnungen der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hervor, die der Historiker Klaus-Dietmar Henke ausgewertet hat und die der „Süddeutschen Zeitung“ eingesehen werden konnten. Henke ist der Vertreter des unabhängigen Historikerausschusses zur Geschichte des BND. Es war bereits bekannt, dass Adenauer durch seinen stellvertretenden Minister Hans Globke innenpolitische Gegner beobachtete und für sie Anklagematerial gesammelt wurde. Reinhard Gehlen, Leiter der nach dem BND benannten Organisation Gehlen, war einer seiner Informanten. Laut „SZ“ offenbaren die nun ausgewerteten Unterlagen eine neue Dimension der illegalen Arbeit der Inlandsgeheimdienste der Adenauer-Regierung gegen die politische Konkurrenz. Siegfried Ortloff und Siegfried Ziegler standen im Mittelpunkt der Spionagejahre gegen die SPD-Führung. Ortloff arbeitete für den SPD-Vorstand und war für die Abwehr kommunistischer Übergriffe zuständig. Dem Bericht zufolge war Ziegler Mitglied der Gehlen-Organisation und gleichzeitig Vorsitzender des SPD-Bezirks Starnberg, stellte den Kontakt zwischen Gehlen und Ortloff her. Beide hätten vertrauliche Informationen aus dem obersten Kreis der Genossen an Gehlen weitergegeben, der über seinen Minister Globke den Weg zu Adenauer fand.

Den unvermeidlichen “Shot Sex” verpassen

Die zahlreichen Äußerungen des Kanzlers in den Akten zeigten, wie intensiv er sich mit den von Globke erstellten Berichten auseinandergesetzt habe, schreibt die Zeitung.  Adenauer erfuhr etwa, was im SPD-Vorstand über die damals angedachte Änderung der Stimmenmehrheit diskutiert wurde, wer SPD-Kandidat bei der Bundestagswahl werden würde oder dass die Sozialdemokraten seine eigene Zeitschrift von 1957 kritisierten . . , unter anderem, weil ihm, wie es in dem Bericht hieß, der heute notwendige „Sex-Shot“ fehlte.  Auch die vertrauliche Information, dass der damalige Parteivorsitzende Erich Olenhauer bei der Bundestagswahl 1961 nicht mehr als Kanzler kandidieren wolle, traf rechtzeitig im Kanzleramt ein.

Staatssekretär Globke war eine der umstrittensten Figuren in der Adenauer-Regierung. Nach dem Krieg baute der ehemalige Wehrmachtsgeneral Gehlen den westdeutschen Auslandsgeheimdienst auf, der allerdings auch illegal im Inneren spionierte. Adenauers Überwachung der SPD fiel mit dem weit verbreiteten Antikommunismus in der Bundesrepublik zusammen, den der Kanzler beharrlich förderte. Die Angst vor kommunistischer Durchdringung war groß, nicht umsonst hatte die SPD einen eigenen Stab in Ortloff, um sich dagegen zu wehren. Auch bei der SPD machte der Verdacht nicht halt: Adenauer warf den Sozialdemokraten eine DDR-Finanzierung vor, die er nach den Wahlen 1953 zurückziehen musste.