Zudem hat die EZB ein neues Rettungsinstrument für den Fall von Turbulenzen an den Rentenmärkten beschlossen. Um “ungerechtfertigte und unkontrollierte Marktentwicklungen” zu stoppen, würde die Notenbank im Notfall Staatsanleihen kaufen. Es gibt keine vorherige Begrenzung der Anzahl der Einkäufe, sagte Lagarde. Aufgrund des Rücktritts des italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi sind die Anleihezinsen für Italien zuletzt deutlich gestiegen. Die Entscheidung beendet die langjährige Nullzinspolitik der Notenbank. Der Leitzins für die Eurozone liegt seit 2016 bei null Prozent, seit 2014 müssen Banken sogar Negativzinsen auf ihre Einlagen bei der Notenbank zahlen. Zuletzt waren es 0,5 Prozent – jetzt sind es null Prozent. Gleichzeitig hat die Zentralbank seit 2015 Staats- und Unternehmensanleihen im Wert von rund fünf Billionen Euro gekauft. Diese Kaufprogramme sind nun beendet. Der Bankensektor hat bereits in den vergangenen Wochen auf die erwartete Zinswende reagiert. Wohnungsbaudarlehen und andere Kredite sind teurer geworden. Einkünfte aus den Sparkonten gibt es zwar noch, aber die Zinsen belasten die Währung kaum. Die Inflation in der Eurozone beschleunigte sich im Juni weiter und erreichte ein Rekordhoch von 8,6 %. Seit anderthalb Jahren steigen die Preise weltweit. Zunächst dachten die meisten Zentralbanker, es handele sich um ein vorübergehendes Phänomen. Das Argument: Der Inflationsboom werde abflauen, sobald die durch die Corona-Pandemie verursachten Versorgungsengpässe behoben seien. Aber der Versorgungsmangel blieb, und Russlands Krieg gegen die Ukraine drückte die Energieversorgung: Die Inflation verfestigte sich daher. Die letzte Zinserhöhung beschloss die EZB 2011 unter dem damaligen Präsidenten Jean-Claude Trichet – damals lag die Inflation bei fast 3 %. Lagarde ist zuletzt stark unter Druck geraten, die Zinsen endlich anzuheben. Andere große Zentralbanken wie die US-Notenbank Federal Reserve und die Bank of England beendeten ihre Niedrigzinspolitik bereits vor vielen Monaten. Höhere Zinsen in den USA haben derweil zur starken Aufwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro beigetragen – mit negativen Folgen für das Preisniveau in Europa: Weil Rohstoffe wie Öl in Dollar bepreist werden, steigen entsprechend die Importkosten, was weiter zunimmt der Inflationsdruck hierzulande verstärkte sich.