Bereits im kommenden Winter könnte verflüssigtes Erdgas über schwimmende Terminals direkt nach Deutschland kommen. Dafür hat die Bundesregierung jetzt 2,5 Milliarden Euro freigegeben. Umweltverbände bleiben skeptisch. Von Marcel Heberlein und Mirjam Benecke, ARD-Hauptstadtstudio
Die Bundesregierung beschleunigt, um so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas zu werden. Sie stellt fast 2,5 Milliarden Euro für die Anmietung von vier schwimmenden Gasterminals bereit. Das geht aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums hervor, das im Studio der Hauptstadt-ARD vorliegt. Das Finanzministerium gab das Geld frei, ohne zuvor den Haushaltsausschuss des Bundestages einzubeziehen. Die Entscheidung sei “sehr dringend”, hieß es in dem Schreiben des Ministeriums. Demnach sollen heute die ersten Charterverträge unterzeichnet werden.
Verwendung ab nächstem Winter
Die zweieinhalb Milliarden Euro sollen auch für den Betrieb der Anlagen über zehn Jahre verwendet werden. Künftig können Schiffe verflüssigtes Erdgas (Liquefied Natural Gas) über schwimmende Terminals direkt nach Deutschland liefern. Dies ist derzeit nicht möglich, da Deutschland noch über kein eigenes LNG-Terminal verfügt und auf Häfen in Nachbarländern wie den Niederlanden angewiesen ist. Mehrere deutsche Terminals an Land sind geplant, der Bau dürfte aber mehrere Jahre dauern. Floating Terminals sollen schneller helfen. Die Regierung hofft, bereits im kommenden Winter verflüssigtes Erdgas direkt nach Deutschland liefern zu können.
Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Wilhelmshaven in Niedersachsen sollen Standorte werden, weitere sind nach Angaben des Ministeriums angedacht. Auch Stade in Niedersachsen, Rostock in Mecklenburg-Vorpommern und der Hamburger Hafen werden thematisiert. Nach Angaben des niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies von der SPD könnte bis Ende des Jahres eine Gasmenge, die fast 20 Prozent der jährlichen russischen Gasimporte ausmacht, über das Terminal Wilhelmshaven empfangen werden.
Terminals sind derzeit sehr gefragt
LNG kommt per Schiff nach Europa, beispielsweise aus Katar oder den USA. Über die Terminals kann LNG wieder vergast und angelandet werden. Es sollte nicht einfach gewesen sein, schwimmende Einrichtungen zu bekommen. Seit dem russischen Krieg in der Ukraine sind sie in ganz Europa sehr gefragt. Denn die gesamte EU will so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas werden.
Der Beauftragte der FDP für die maritime Wirtschaft im Bundestag, Hagen Reinhold, lobte die Bemühungen der Bundesregierung. Die Entscheidung, in kurzer Zeit schwimmende Terminals anzumieten, sei „richtig und innovativ“. Sie ist verbunden mit der Aufgabe, „alle Hindernisse zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft in kürzester Zeit zu beseitigen“. Außerdem muss nun geprüft werden, an welchen Standorten sich Vorteile ergeben, beispielsweise beim Anschluss an das Gasnetz.
Umweltschützer warnen vor „Fossilienfalle“
Die Kritik kommt von Umweltverbänden. Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe wirft der Bundesregierung mangelnde Transparenz vor: „Die Bundesregierung hat noch nicht geantwortet, ob diese Endgeräte energienotwendig sind.“ Dabei gibt es keine Zahlen. „Wir wissen auch nicht, wie das mit den Klimazielen der Bundesregierung vereinbar ist.“
Zerger spricht von einem Wettbewerb zwischen den Bundesländern und den Endgeräten. “Das ganze Thema führt jetzt zu Wildwuchs mit sehr großem Importpotential.” Setzt die Bundesregierung bereits auf schwimmende LNG-Terminals, sollte zumindest auf den Bau fester Onshore-Terminals verzichtet werden. “Das ganze Problem ist eine Fossilfalle, weil die Terminals jahrelang halten werden und wir weiterhin fossile Brennstoffe für eine lange Zeit importieren werden.”
Regierung gibt 2,5 Milliarden Euro für vier schwimmende LNG-Terminals frei
Mirjam Benecke, ARD Berlin, 14.04.2022 17:26 Uhr