Stand: 06.04.2022 18:00 Uhr
Die Fluggesellschaft Fraport will ihre Beteiligung am Flughafen St. Petersburg ruhen lassen, aber nicht aufgeben. Dort starten und landen Flugzeuge der russischen Regierung.
Nicht erst seit die Bilder der Schrecken im ukrainischen Bucha die Welt erschütterten, haben Hunderte Großunternehmen Russland verlassen, Milliardeninvestitionen abgeschrieben und ihre Mitarbeiter aus dem Land abgezogen. Doch Fraport, Deutschlands größter Flughafenkonzern, der mehrheitlich an Hessen und der Stadt Frankfurt beteiligt ist, hält bisher an seinem Engagement in Russland fest.
Der Konzern besitzt ein Viertel der Anteile an der Betreibergesellschaft des Flughafens Pulkovo in St. Petersburg, dem zweitgrößten Flughafen Russlands. Fraport-Chef Stefan Sulte sagte Anfang der Woche, die Wette sei nun praktisch eingefroren und habe nichts mit dem Betrieb des Flughafens zu tun. Und: Bis 2025 darf man seinen Anteil am russischen Flughafen nicht abgeben, was konventionell verboten ist. Ansonsten ist das Team unwissend: Fraport weiß nicht, was am Flughafen passiert, sie bleiben draußen, aber alle Sanktionen werden geprüft.
Regierungsflugzeuge am Flughafen
Der Flughafen St. Petersburg spielt seit jeher eine besondere Rolle. Die Stadt ist die Heimatstadt von Wladimir Putin. Nach Recherchen des WDR und der Süddeutschen Zeitung starteten von dort mehrere Ilyushin IL-96-300 PU-Flugzeuge nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, etwa am 4. und 24. März. Dieser Flugzeugtyp wird unter anderem von Putin eingesetzt.
Zwei Iljuschin-Flugzeuge, die seit Kriegsbeginn in Pulkovo gestartet und gelandet sind, können anhand ihrer Identität und der öffentlich zugänglichen Bilder und Videos der Regierungsflotte zugeordnet werden. Eines davon, das Flugzeug mit der Registrierungsnummer RA-96019, wurde in der Vergangenheit von Außenminister Sergej Lawrow eingesetzt. 2017 reiste er beispielsweise zur Münchner Sicherheitskonferenz. Für Fraport ist das schwierig: Putin, Lawrow und andere Regierungsmitglieder wurden inzwischen von der EU ratifiziert.
Management von Militärflügen
Zudem zeigen die Pandora Papers, ein unter anderem von WDR, NDR und SZ bewertetes Datenleck, dass auch Militärflugzeuge Pulkowo anfliegen können. In den internen Dokumenten heißt es: “Pulkowo bietet die gesamte Palette an Dienstleistungen an, einschließlich kommerzieller Flüge, Regierungsflüge, Fracht-, Militär- und medizinischer Flüge.” Vor mehr als zehn Jahren hat der Flughafen St. Petersburg wiederholt die Abwicklung von Militärflügen in internen Dokumenten festgehalten.
Obwohl Fraport-Vertreter all diese Dokumente erhalten und unterschrieben haben, sagte das Team auf Anfrage, es wisse nichts von Militärflügen. Zudem hat Fraport keinen Zugriff auf als Staatsgeheimnis eingestufte Informationen wie etwa Flüge von Regierungsmitgliedern. Fraport-Chef Stefan Sulte räumte lediglich ein, dass es am Flughafen Pulkovo ein „Verwaltungsbüro“ gebe: „Das bedeutete aber nicht, dass dort Militärflüge organisiert wurden, es war eher „eine Art Reisezentrum für militärische oder zivile Nutzung“, sagte Fraport. -Boss.
Es sollte nicht überraschen, dass der russische Präsident den Flughafen nutzen konnte. Dies wird durch Dokumente aus den Pandora Papers belegt. Daraus scheint es, dass es in Pulkovo sogar den sogenannten “Präsidentendienst” gibt. Fraport habe dies nicht gewusst, teilte das Team mit.
Fraport hat leitende Angestellte ernannt
Das Engagement von Fraport in St. Petersburg hat im Haushaltsausschuss des hessischen Landtags bereits zu heftigen Diskussionen geführt und Finanzminister Michael Boddenberg unter Druck gesetzt. Immerhin, so die Unterlagen, seien die Geschäfts- und Finanzvorstände von Pulkovo einst von Fraport nominiert worden.
Beide arbeiten offenbar noch von Pulkovo aus in St. Petersburg und stehen auch in Kontakt mit Fraport, wie der Konzern einräumte. Doch Boddenberg lehnte es ab, diesen direkten Draht für Fragen zu möglichen Militärflügen zu nutzen. „Eine Kommunikation mit dem Leiter der Abteilung für Operationen und Finanzen in dieser Angelegenheit könnte von russischer Seite als Vertragsbruch dieser Beamten angesehen werden und unabsehbare negative Folgen für sie haben“, sagte das Finanzministerium.
Partizipation hat wenig Wert
Die Wette einfach zu löschen und zurückzuziehen, kommt für die Hessen offenbar nicht infrage: „Für mich ist es absolut verrückt, dass dieser Kriminelle am Ende auch noch Vermögen übrig hat“, sagte der hessische Finanzminister Boddenberg, der auch Fraport-Vorstandsvorsitzender ist. Aufsichtsrat, starkes Protokoll Ende März an den Haushaltsausschuss des Landtags. Andernfalls würde der Angreifer nur einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag erhalten, sagte Fraport-Chef Schulte später gegenüber Reportern.
Doch die Fraport-Bilanz zeigt ein anderes Bild: Beteiligungen werden dort nur mit geringem Wert aufgeführt. Aktien von Fraport sind auch – im Grunde genommen – an die staatliche russische VTB Bank verpfändet, die vom Pentagon streng sanktioniert und als „Arterie“ im russischen Finanzsystem bezeichnet wurde, die stillgelegt werden muss. Die Aktien dienen als Sicherheit für einen Kredit, der am Flughafen Pulkovo aufgenommen wurde – und das Geld hätten die Hessen gerne zurück.
Eine Ausstiegsklausel ist vorhanden
“Die Landesregierung muss in dieser Situation dringend eine Ausstiegsstrategie für eine russische Beteiligung erarbeiten. Es ist an der Zeit, das rechtlich Mögliche und moralisch Angemessene anzugehen”, sagte die hessische FDP-Haushaltsexpertin Marion Schardt-Sauer.
Pulkovos Verträge, die in den Pandora Papers enthalten sind, enthalten eine Ausstiegsklausel: Wenn es einen Konkurrenten von Fraport gibt, der die technischen Voraussetzungen erfüllt, kann dieser Fraport-Anteile übernehmen, sagt er. Allerdings bräuchte Fraport die Zustimmung der russischen Staatsbank VTB und der Stadt St. Petersburg, allesamt Menschen, wie der Konzern und der Staat bestätigten. Auf die Frage, warum das Team diese Ausstiegsklausel nicht zurückgezogen hat, …