Die Aufnahmen teilte der bekannte amerikanische Epidemiologe Eric Feigl-Ding (38), der in Shanghai geboren wurde. Er übersetzte auch die Worte des Mannes, der das Video aufgenommen hat. Er sagt offensichtlich, dass die Menschen es nicht mehr lange aushalten werden – er hat Angst vor einer Tragödie.

26 Millionen Menschen im Lockdown

China ist eines der letzten Länder der Welt, das die sogenannte Null-Covid-Strategie verfolgt. Wenn es in einer Stadt auch nur wenige Corona-Fälle gibt, geht die gesamte Bevölkerung in den Lockdown. Besonders deutlich wird dies in Shanghai. Rund 26 Millionen Menschen wurden seit dem 28. März ausgesperrt – auf unbestimmte Zeit. Strenge Regeln sorgen für immer mehr Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Vor allem die Nahrungsmittelknappheit wird immer mehr zum Problem. Der Grund: Aufgrund des Lockdowns dürfen Anwohner nicht mehr in den Supermarkt gehen – die Regierung liefert ihnen Lebensmittel nach Hause. Aber das funktioniert nicht immer. Hinzu kommt, dass die Menschen in China im Allgemeinen wenig zu essen zu Hause haben. Viele werden in der Regel frisch auf dem Markt gekauft.

Kinder von ihren Eltern getrennt

Die Situation verschlimmert sich von Tag zu Tag. In den sozialen Medien kursierende Videos zeigen bereits erste Plünderungen in der Stadt. Immer wieder ist die Rede von Gewalt gegen Menschen, die keine Maske tragen, oder von Haustieren, die zu Tode geprügelt werden, während ihre Besitzer in Quarantäne sind. Wie angespannt die Lage wirklich ist, ist schwer zu sagen. Viele von denen, die im Internet landen, werden schnell von der Regierung gelöscht. Problematisch sind offenbar auch die massiven, von der Regierung angeordneten Gerichtsverfahren in Shanghai – nur deshalb dürfen die Menschen ihre Häuser und Wohnungen noch verlassen. Und manchmal müssen sie stundenlang für Prüfungen anstehen. Menschen infizieren sich laut Beobachtern immer wieder mit dem Coronavirus. Die Praxis, kleine Kinder von ihren Eltern zu trennen, wenn sie sich mit dem Coronavirus infizieren, hat zuletzt für große Empörung gesorgt.

Überwachung durch Roboterhund und Drohne

Da sich Krankenhäuser und Quarantäneeinrichtungen in Shanghai trotz des Lockdowns füllen, wächst die Empörung der Bevölkerung. Die Stadtverwaltung kündigte am Montag an, die strengen Maßnahmen vorsichtig zu lockern. Viertel bzw. Gebäudekomplexe sollten je nach Ansteckung in drei Kategorien eingeteilt werden. Nur dort, wo in den letzten zwei Wochen keine Fälle aufgetreten sind, wird das Fahrverbot aufgehoben und nur noch als „Präventionsgebiet“ bezeichnet. Allerdings ist noch nicht klar, wie schnell die neuen Regeln umgesetzt werden und wie viele Menschen wirklich davon profitieren. Um die Lage unter Kontrolle zu halten, schickte die Volksbefreiungsarmee am Montag rund 2.000 Ärzte der Armee nach Shanghai. Auch zur Unterstützung kommt Hochtechnologie zum Einsatz: Videos zeigen, wie kleine Roboterhunde durch die Straßen patrouillieren und über Lautsprecher die Bewohner auffordern, ihre Häuser nicht zu verlassen. Drohnen sollten auch die Einhaltung der Lockdowns überwachen. (BH) Schleuse in Shanghai: Hier geht ein Hund spazieren (01:07)