Der Landtag in Baden-Württemberg kann künftig ab 16 Jahren gewählt werden. Nach jahrelangem Streit hat das Parlament am Mittwoch einer entsprechenden Reform des Wahlgesetzes mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zugestimmt (106 Ja, 34 Nein, 5 Enthaltungen). Die Grünen, die CDU, die SPD stimmten dafür, die AfD dagegen. Die FDP stimmte teilweise für die Absenkung des Wahlalters, in der Schlussabstimmung aber gegen die Reform, die andere Elemente enthält. Das geänderte Gesetz wird erstmals bei der nächsten Landtagswahl – voraussichtlich 2026 – umgesetzt. Wie bei Kommunalwahlen wird das Mindestalter für das aktive Wahlrecht bei Landtagswahlen, Volksabstimmungen, Referenden und Referenden um zwei Jahre herabgesetzt. Grünen-Politiker Oliver Hildenbrand sprach an einem „historischen Tag“ im Plenum. Innenminister Thomas Stroble (CDU) bezeichnete sie als die umfassendste Reform in der Geschichte des Landes.
Zwei-Stimmen-Wahlrecht wie bei Bundestagswahlen
Zudem gibt die Reform den Parteien durch die Einführung des Zwei-Stimmen-Wahlrechts nun mehr Einfluss auf die Kandidatenauswahl. Die Bürgerinnen und Bürger haben künftig sowohl bei der Landtagswahl als auch bei der Bundestagswahl zwei Stimmen. Mit dem ersten Wahlgang wird der Kandidat des Wahlkreises direkt gewählt. Diese Person wird weiterhin vor Ort von den Parteien in der Region nominiert. Der zweite Wahlgang geht künftig an eine Partei, die dafür eine Länderliste erstellt – damit haben die Parteien mehr Einfluss darauf, wer an der Spitze steht und in den Landtag einzieht. Die Sitzverteilung im Landtag wird im zweiten Wahlgang bestimmt. Stuttgart Landtagsabgeordnete sollen das Volk vertreten – doch im baden-württembergischen Landtag sitzen überwiegend Männer, haben ein hohes Bildungsniveau und keine Einwanderungsgeschichte. mehr…
Neue Abstimmung, um das Plenum weiblicher zu gestalten
Das neue Wahlgesetz soll nicht nur mehr junge Menschen an die Wahlurnen bringen, sondern vor allem mehr Frauen ins Parlament. Bisher waren die Wahlkreisparteien für die Aufstellung von Kandidaten für Landtagswahlen zuständig. Kritiker des bisherigen Systems sagen, dass die „Platzhirsche“ oft Kandidaten an der Basis seien – meist Männer. Die Geschichte ist, dass der Frauenanteil im Parlament nicht dem Anteil in der Bevölkerung entspricht: Derzeit nehmen 45 Frauen am Landtag teil. Der Frauenanteil liegt demnach bei etwa 30 Prozent, während er etwa 50 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Bei den Grünen ist das Verhältnis nahezu ausgeglichen, bei der AfD auf die anderen 16 Männer und eine Frau. Der Landtag von Baden-Württemberg hat unter den Landesparlamenten in Sachen Frauenanteil über viele Jahre einen Rückschlag hingelegt.
Die FDP befürchtet eine weitere Inflation im Landtag
Künftig hängt die Macht der Parteien im Landtag vom Wahlergebnis des zweiten Wahlgangs ab – wie im Bundestag. Verbleibend in 70 Wahlkreisen ziehen die Sieger der Wahlkreise normal weiter. Die anderen 50 Orden werden über das Landesverzeichnis vergeben. Kritikern zufolge wird das neue Zwei-Stimmen-System jedoch das Abstimmungsverhalten verändern und zu noch mehr Überschreitungen und Ausgleichsmandaten durch getrennte Abstimmungen führen. Die FDP bestand daraufhin darauf, die Zahl der Wahlkreise von 70 auf 60 zu reduzieren. Wie der Steuerzahlerbund befürchten die Liberalen eine weitere Inflation im Landtag. Denn wie der Bundestag wächst auch der Landtag stetig. Nach jeder Wahl werden im Plenum neue Stühle aufgestellt und der Raum wird immer enger. Der Landtag sieht eine Mindestgröße von 120 Sitzen vor. Aufgrund des Verhältniswahlrechts und der damit verbundenen Mandate gehören dem Landtag 154 Landtagsabgeordnete an.
Kritik: Machtübertragung vom Wähler auf die Parteifunktionäre der Länder
Zudem befürchtet er einen Machtzuwachs der Parteifunktionäre. Der AfD-Abgeordnete Anton Baron bezeichnete die Reform am Mittwoch sogar als „politische Schande und Heuchelei“. Auch der SPD-Politiker Gernot Gruber stimmte gegen die Reform und sprach von einer Machtverschiebung von den Wählern zu den Landesparteivorständen und Landesparteitagen. Abgeordnete mit einer zweiten Amtszeit sind künftig primär den Parteien ihres Bundeslandes und nicht mehr den Wählern in den Wahlkreisen rechenschaftspflichtig. Das fördert den Frust an der Politik.