Ab: 12.04.2022 18:51                 

In Frankfurt am Main protestieren täglich Menschen vor dem russischen Generalkonsulat gegen den Einmarsch in die Ukraine. Meist ohne viele Worte, aber mit Fahnen, Fotos und der Nationalhymne der Ukraine.

Kurz nach acht Uhr morgens. Für Iryna Wentz beginnt ihre Arbeit mit Wachsamkeit. Über WhatsApp koordiniert er sich mit etwa 20 anderen, die hier regelmäßig an dem Protest teilnehmen. Mindestens zwei Personen sollten immer in Alarmbereitschaft sein – von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends.

Der 60-Jährige, der seit 2002 in Frankfurt lebt, ist seit dem zweiten Kriegstag hier. Ihre 84-jährige Mutter lebt noch immer auf der Krim. „Ich habe nach einem Ort gesucht, an dem ich mein Poster zeigen kann. Anfangs wusste ich gar nicht, ob ich das machen darf“, sagt er. “Aber dann kamen andere und schlossen sich ihnen an.” Seitdem steht er jeden Tag hier, immer ab 8:30 Uhr. bis 11:00 Uhr ein Plakat hochhalten. Heute gibt es einen entfremdeten Putin mit einem Totenkopf.

Das Generalkonsulat befindet sich im Oeder Weg, im Stadtzentrum. Breite Einbahnstraße mit vielen Geschäften. Auf der einen Straßenseite liegt das Generalkonsulat, auf der anderen die Kriegsgegner. „Wir bleiben immer an unserer Seite“, sagt Irina. Sicher ist sicher. Es gibt immer zwei Polizisten, um die diplomatische Vertretung zu schützen. „Aber sie beschützen uns tatsächlich“, flüstert Irina.

Hilfe aus Litauen, Weißrussland und Russland

Es seien nicht nur Menschen aus der Ukraine, erklärt er. Auch Litauer oder Weißrussen, manchmal Regimegegner aus Russland. Außer Irina kam wie jeden Tag Ilia Erd. Der junge Ukrainer kümmert sich um die Spieluhr. Anfangs ertönte ständig die Nationalhymne aus dem Lautsprecher. Inzwischen läuft auch ukrainische Popmusik. Zwischen 13:00 und 15:00 Uhr ist Pause und die Batterie lädt – die Anwohner hatten um eine kurze Pause gebeten.

Ilia hat Kiew erst vor einem Monat verlassen. “Ich war zufällig am Bahnhof und habe meinen Bruder angerufen”, sagt er. „Er sagte, steig ein und fahr.“ Später ging es mit dem Bus weiter. Sie lebt jetzt mit ihrer Cousine in Frankfurt. Ihr Bruder ist weiter weg in der ukrainischen Hauptstadt und führt ausländische Journalisten nach Kiew. Natürlich telefonieren sie jeden Tag. Es ist immer noch gut.

                Iryna Wentz protestiert seit Wochen gegen den Krieg in der Ukraine.  Bild: Alex Jakubowski, HR

“Etwas, was du tun musst”

Der Boden vor Ilia und Irina ist voller Kerzen, Blumen, Fotos und Poster. Andere Leute sind inzwischen gekommen, um zu protestieren. Annette Reschke etwa hält ein Foto in der Hand, das ein ausgebombtes Wohnhaus zeigt. Der Autor aus Frankfurt kommt fast täglich, immer morgens. „Das ist meine Form der Unterstützung“, sagt der Deutsche. Es war einmal eine Frau, die die Mitglieder der Mahnwache belästigte. Immer wieder kamen Leute und verfluchten sie. “Man kann sagen, dass viele Russen Putins Propaganda verinnerlicht haben”, sagte er.

Auch Peter Klopp will mitmachen. Eine Stunde am Tag versucht der 61-jährige Designer hier zu sein. “Ich muss etwas tun”, sagt er. „Menschliche Hygiene vielleicht.“ Er unterstützt das Team nicht nur mit seiner Anwesenheit, sondern druckt auch Poster und Nachschub kommt immer wieder. “Dieser Krieg hat alles in Frage gestellt, woran wir immer geglaubt haben”, sagt er. “Wir sind Pazifisten. Aber jetzt glaubt jemand, er könne mit Armeen und Raketen die Welt verändern. Wir dachten, wir wären in Europa dagegen immun. Und jetzt stehen wir hier mit Plakaten in der Hand”, sagte er achselzuckend. Schultern.

                Viele der Teilnehmer sind jeden Tag hier.  Bild: Alex Jakubowski, HR

“Ich hoffe, der Krieg endet bald”

Ein Radfahrer fährt durch die Mahnwache. Plötzlich schreit er: “Mörder, Kriegsverbrecher, Mörder!” Das komme öfter vor, sagt Iryna. Das beeindruckt die Besucher des Generalkonsulats nicht. Die meisten stehen in Sicherheit mit dem Rücken zur Wachsamkeit.

Kaum sei eine junge Frau herausgekommen und habe ihren russischen Pass verbrannt, sagt Iryna und zeigt eine Videoaufnahme davon. Ansonsten ist aber eher Aggression zu spüren. “Sie beschimpfen uns, manche machen Fotos”, sagt Irina achselzuckend. Heute ist es ruhig. „Manchmal denke ich, ich habe keine andere Macht“, sagt der Ukrainer. “Aber ich muss einfach etwas tun und dann komme ich hierher zurück.”

Inzwischen war Irina erleichtert. Die Frau schreit die Wartenden vor dem Generalkonsulat an. “Schämt euch, Russen vergewaltigen Frauen und Kinder.” Und während Irina zu ihr geht, um ihr das Poster zu geben und sich zu verabschieden, sagt sie: “Ich bin ein ruhigerer Typ, aber manche Leute müssen es einfach rausnehmen.”

Werde morgen wiederkommen. Spätestens um halb acht wird er wieder lautlos protestieren, ein Schild hochhalten und auf ein baldiges Ende des Krieges hoffen.