Die Besetzung und der große Fang sind geblieben (und der Kampf zwischen allen und dem Schuldner, der eher einer Wrestling-Show als einem Boxkampf gleicht, ist immer noch eine völlig unwahrscheinliche und eher subversive Bühnenidee), und doch haben sich einige Nuancen geändert. Im ersten Teil verleiht Eidinger seinem reichen Mann, der meist in roten Sporthosen spielt, viel mehr Stolz, während Altenberger etwas an Selbstvertrauen zurückgewonnen hat. Und da Auftritte in Salzburg in letzter Zeit ein verlässlicher Gesprächsstoff sind: Beide haben dieses Jahr neue Frisuren. Edith Clever, das Highlight der letztjährigen Show als unerbittliche weibliche Killerin, die aussieht, als wäre sie aus einem alten Gemälde gestiegen, mit ihrem hohen Kopfschmuck, der in zwei Spitzen endet, hat zur eisigen Kälte beigetragen. Sie beglaubigt diesen etwa in der Postmoderne angesiedelten Abend mit dem Hinweis auf die historische Provenienz des Stoffes, der in den hauptsächlich als unterhaltsame Nummern angelegten Allegorien fehlt. Ihre ehemalige Kollegin von der Schaubühne Angela Winkler sorgte als gottesfürchtige Mutter aller für die größte Überraschung: 2021 unauffällig und konventionell, spricht sie nun in ihrem ersten Auftritt so eindringlich das Bewusstsein ihres Sohnes an, dass sich sein Läuterungsprozess als direkte Folge überträgt . ihrer Warnungen. Auf dem „Domgelände“ (Sturminger) wurden in den 14 Probentagen einige Steine ​​behauen und wieder ein Stück weit zusammengesetzt – darunter ein unterhaltsameres Duell zwischen Glaube (Kathleen Morgeneyer) und Teufel (Mavie Hörbiger) und ein prägnanterer Rachefeldzug durch Mirco Kreibich als Mammon (der sich erst als Zwangsarbeiter demütigen lassen musste). Was diesen Jedermann und sein Sidekick-Paar ausmacht, bleibt ebenso im Dunkeln wie die Antwort auf die Frage, ob der Titelheld ein schlechter Mensch ist oder nicht. Außerdem bietet Lars Eidinger zwei Überraschungsmomente. “Du hörst es auch, nicht wahr?” wendet sich an das Publikum, das auf einige dumpf bis raue “Jedermann”-Rufe mit verhaltenem Gelächter reagiert. Und während er mit der toten Frau an einem endlos langen Tisch über sein weiteres Schicksal verhandelt, denkt der Betrachter unwillkürlich an das Bild aus dem Kreml, als Putin vor Beginn des Krieges in der Ukraine das Weltpublikum in Atem hielt, ob es bekannt werden würde Bei seinen Begegnungen handelte es sich um Delegationen mit einem Verrückten oder einem Selbstdarsteller. Solche Momente, in denen „Jedermann“ seine selbstverständliche Aktualität beweist, bleiben Mangelware. Die Inszenierung ist kein Abgesang auf „giftige Männlichkeit“, wie Eidinger es letztes Jahr nannte. Es steht noch ein weiterer Abschied von einem ganzen System an, das sich ganz dem Mammon verschrieben hat und nun für seine sehr wenigen guten Werke Rechenschaft ablegen muss. Betreuer Markus Hinterhäuser, der in diesem Jahr Dantes „Göttliche Komödie“ als Bezugspunkt für sein Programm gewählt hat, will mit seinem Programm Denkanstöße geben. Was natürlich nicht heißt, dass die Öffentlichkeit ihm immer folgen will. In einer aufgezeichneten Ankündigung rät der Direktor des Festivals seinem Publikum, eine FFP2-Maske zu tragen. Deutlich weniger als ein Prozent der Zuschauer folgten diesem Aufruf auf den Domplatz. Die erste Neuproduktion des Festivals gibt es dann am 26. Juli mit dem Doppelabend „Herzog Blaubarts Burg / De temporum fine comoedia“ in der Felsenreitschule. Die Salzburger Festspiele 2022 laufen noch bis 31. August. Insgesamt wurden fast 225.000 Karten ausgegeben. (SERVICE – „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen, Regie: Michael Sturminger, Bühnenbild und Kostüme: Renate Martin, Andreas Donhauser, Komposition: Wolfgang Mitterer. Mit: Edith Clever – Tod, Lars Eidinger – Jedermann, Angela Winkler – Jedermanns Mutter, Anton Spieker – Jedermanns guter Gefährte, Jörg Ratjen – Ein armer Nachbar, Mirco Kreibich – Ein Leibeigener / Mammon, Anna Rieser – Die Leibeigene Knechtsfrau, Verena Altenberger – Liaison, Gustav Peter Wöhler – Dicke Cousine, Tino Hillebrand – Thinleenus – Glaube, Mavie Hörbiger – Teufel, Theresa Dlouhy, Fabian Düberg, Claire Gascoin, Paula Jeckstadt, Skye MacDonald, Maximilian Paier, Katharina Rose – Tischgesellschaft / Werke, Ensemble 021. Domplatz, weitere Show beim Great1 Festival, bei Schlechtwetter bis 26. August.)