MusicAeterna wird von der russischen VTB Bank, Russlands zweitgrößtem Staatsstaat in der Nähe des Kreml, finanziert und ist seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine westlichen Sanktionen ausgesetzt. Die Kritik an dem exzellenten Orchester im Westen ist in den letzten Wochen laut geworden: Im Wiener Konzerthaus, wo Currentzis und seiner stets aufmüpfigen Truppe seit Jahren die Abonnenten ausgehen, bemüht man sich seit langem um eine Zusammenarbeit. Jemand wollte ein Statement des ewig stillen Currentzis gegen den Krieg – und er setzte sich durch: Programmänderungen, ukrainische Komponisten, ukrainische Musiker im Orchester, zuletzt ein Benefizkonzert zugunsten der Ukraine.

Umstrittener Auftritt

Das Charity-Programm sollte den dreitägigen Auftritt des Orchesters komplettieren – angesichts der Geldquellen im Hintergrund war es von Anfang an umstritten. Schließlich forderte der ukrainische Botschafter in Wien die Absage des Konzerts. Bitten Sie nicht um Spenden, wenn russische Künstler beteiligt sind. Nicht nur das Konzert wurde am Montagnachmittag abgesagt, auch die geplanten Auftritte von MusicAeterna für die nächste Saison wurden in Frage gestellt. Laut Konzerthaus benötigt das Orchester eine unabhängige Finanzierung, um weiterhin zu Gast zu sein. In Russland wird dies kaum möglich sein. Bemühungen, das Orchester in den Westen zu holen – etwa mit der Anfrage von Currentzis für das Theater an der Wien im Jahr 2017 – sind bisher gescheitert. Wenige Stunden nach dieser Entscheidung, nach der Nachricht, dass sie unerwünscht sind, stehen sie auf der Bühne und spielen die unter dem Eindruck des Krieges entstandenen „Verwandlungen“ von Richard Strauss und Tschaikowskys „Pathetique“ – ein schweres Programm, revolutionär und düster, Hymne. wie und deprimierend, mit grotesk exzessiven Kursfolgen und dem tiefen Eintauchen in das große, schmerzlich aufbrausende Adagio. MusicAeterna spielt immer aufrecht, bringt seinen Körperbau zur Musik, treibend, ausgedehnt, große Bögen und Halbmonde mit scharfen Kanten. Dass Currentzis gerne die Extreme auslotet, ist eine Floskel, die der Unmittelbarkeit dieses Stils des Musikschaffens keinen Abbruch tut. Mit seinem 2004 in Nowosibirsk gegründeten und mittlerweile über Perm nach St. Petersburg umgezogenen Ensemble verleiht Currentzis dem klassischen Konzerterlebnis eine andere, intensivere Qualität. Ein unendlich eloquentes, emotionales Statement über Schmerz und Gewalt. Vor dem Konzertsaal protestiert eine kleine Gruppe von Demonstranten mit ukrainischen Fahnen friedlich für die Show und gegen die kulturelle „Beschönigung“ des russischen Geldes. Russische und ukrainische Musiker umarmen sich auf der Bühne, das Publikum applaudiert im Stehen. Es ist ein Abschied und es ist nicht klar für wie lange. Es ist ein Krieg und es gibt keinen Raum für Ambivalenzen. Es ist sehr traurig. (pa)