Das lässt sich mit Sicherheit sagen: Wäre Anne Spiegel (Grüne) in den Tagen nach dem Hochwasser im Juli 2021 nicht Umweltministerin in Rheinland-Pfalz gewesen, sondern im benachbarten Nordrhein-Westfalen – sie hätte wohl zurücktreten müssen früher. Spätestens am Sonntag. Denn die frühere Bundesfamilienministerin musste eine Aussage über ihre Rolle nach der Flutkatastrophe vor laufender Kamera überdenken, die sie Wochen zuvor als Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz abgegeben hatte. Ihr bisher heimlicher Familienurlaub – vier Wochen in Frankreich nur zehn Tage nach dem Hochwasser im Ahrtal – würde sie nach den derzeit in Düsseldorf geltenden Maßstäben von Wahrheit und Anstand dort wohl sofort jedes Amt kosten. So geschehen vergangene Woche in Nordrhein-Westfalen bei Ursula Heinen-Esser, der ehemaligen Umwelt-Pendantin des Spiegel an Rhein und Ruhr. Die CDU-Politikerin geriet mit einzelnen Enthüllungen über ihre neuntägige Mallorca-Reise – die nur zwei Tage nach der Katastrophe begann – in Widersprüche. Als bekannt wurde, dass auch zwei CDU-Ministerkollegen nach Malle geflogen waren, um den Geburtstag von Heinen-Essers Mann zu feiern, drückte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ab: Der Umweltminister musste gehen. Die 56-jährige Kölnerin wurde Opfer ihrer eigenen Ungeschicklichkeit. Dass Heinen-Esser politisch für unzureichende Warnungen kurz vor dem Hochwasser und einen “Systemausfall” staatlicher Behörden verantwortlich war, spielte dabei fast keine Rolle. In Nordrhein-Westfalen sind in fünf Wochen Landtagswahlen. Auch deshalb warf Josef Hovenjürgen, Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU, führenden Politikern von SPD und Grünen vor, die „Spiegel-Sache“ nach denselben Maßstäben zu beurteilen wie „Heinen-Esser“. Ursache“ – und den Ausstieg ihrer Parteifreunde in Berlin müssen grüne Minister aus der Ampelregierung fordern. Die NRW-Wahl am 15. Mai ist wohl der Grund dafür, dass in Düsseldorf die schlimmsten Missgeschicke und die peinlichsten Fehler schneller und intensiver ans Licht kamen als in Mainz: Die Legislatur endet und SPD und Grüne akribisch auf Fehlersuche die Serie. um den Treibstoff ihres Wahlkampfs zu beenden.
Hat Hendrik Wüst seit zwei Wochen geschwiegen?
Das ist einer der Gründe, warum Mallorca-Gate brennt. Vor allem will die SPD genau wissen, wann Hendrik Wüst herausgefunden hat, was genau über die Reise von Innenministerin Ina Scharrenbach und Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner auf die Sonneninsel herausgekommen ist. Wüst ist nicht nur Regierungschef, sondern auch Spitzenkandidat der Christdemokraten am 15. Mai – und auf Platz zwei der CDU-Landesliste sieht jeder Wähler beim Ausfüllen des Stimmzettels den Namen „Scharrenbach“. Bislang hat Wüst kein genaues Datum genannt, wann die Mallorca-Geburtstagsfeier eingeweiht wurde. Beweise zeigen, dass Wüst um den 24. März herum davon erfahren hat. Denn dann gab Heinen-Esser öffentlich zu, nicht nur vier, sondern neun Tage auf den Balearen geblieben zu sein. Das Abendessen unter der Sonne am 7. April wurde öffentlich. Was bedeuten würde: Wüst wurde nicht nur von drei Mitgliedern seines Kabinetts monatelang im Dunkeln gelassen. Zur Mallorca-Affäre werde er zwei Wochen lang schweigen. Am Montag machte Heinen-Esser jedoch erneut auf sich aufmerksam: Sie sagte, sie wolle im Falle einer Wahl von einem Sitz im neuen Landtag zurücktreten.