Transport verwundeter Soldaten nach Deutschland: Seit 2014 evakuiert die Luftwaffe Verwundete aus der Ukraine. Nach Kriegsbeginn schlossen sich auch Drittstaaten dem Zivilschutzmechanismus an – nicht aber die Schweiz. Foto: Sergei Supinsky (AFP) Die Reaktionen auf das Veto des Bundes, Verwundete aus der Ukraine nicht aufzunehmen, sind eindeutig: Luzerner Nationalrätin Ida Glanzmann, Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, bezeichnete das Verhalten der Schweiz auf Twitter als «wirklich unverständlich». Schließlich habe das IKRK seinen Sitz in der Schweiz, “und wir galten schon immer als offenes Land, wenn es um humanitäre Hilfe geht.” Luka Strebel, Vizepräsident des Generalsekretärs des Zentrums, schreibt: “Es ist eine Schande.” Diese Zeitung hatte am Montag erstmals über das Veto der Bundesregierung gegen die Beteiligung an Verwundetentransporten aus der Ukraine auf Antrag einer Nato-Unterorganisation berichtet. Nun rächt es sich, dass die Schweiz den Anschluss an den Zivilschutzmechanismus der EU verloren hat: Laut Diplomaten in Brüssel haben die EU und fünf Drittstaaten seit Kriegsbeginn über diesen Mechanismus 845 verwundete Zivilisten und Soldaten evakuiert. Vor diesem Hintergrund bekommt das Veto der Bundesregierung eine andere Dimension. Eine Einigung zwischen der EU und Norwegen kommt gerade noch rechtzeitig. Brüssel finanziert ein auf medizinische Evakuierungen spezialisiertes Flugzeug. Die knallgelbe Maschine steht allerdings in Oslo.

Die meisten Verwundeten gehen nach Deutschland und Frankreich

„Ich danke Norwegen für die rasche Umsetzung des Abkommens”, sagte EU-Katastrophenschutzkommissar Janez Lenarcic kürzlich. Der brutale Krieg in der Ukraine hat Millionen zur Flucht gezwungen, darunter besonders gefährdete Patienten, die dringend medizinische Versorgung benötigen. Das neue Flugzeug kann dann in Dienst gestellt werden, wenn es am dringendsten benötigt wird. Gefördert von Brüssel, stationiert in Oslo: Das erste EU-Flugzeug zur Evakuierung von Kranken und Verletzten ist seit dem Frühjahr im Einsatz Foto: ich Norwegen ist eines von fünf Drittländern, die am EU-Katastrophenschutz- und Krisenmechanismus teilnehmen, und auch die Türkei, Serbien, Nordmazedonien und Montenegro haben ähnliche Abkommen geschlossen. Die meisten Verletzten werden in Krankenhäuser in Deutschland und Frankreich verlegt. Aber auch Norwegen schloss die Aufnahme von Soldaten nicht aus. Laut Brüssel hat die Schweiz noch kein Interesse an einer Teilnahme am Mechanismus bekundet. Interessanterweise könnte die Schweiz auch ohne Abkommen auf die Hilfe des EU-Katastrophenmechanismus zählen. Neben Partnerländern können sich auch Nachbarländer für den Mechanismus bewerben. Laut EU-Kommission bedarf es jedoch einer gesetzlichen Grundlage, um sich an Hilfsmaßnahmen zu beteiligen. Die EU nutzt diesen Mechanismus auch, um Löschflugzeuge nach Südeuropa zu schicken, um dort bei der Bekämpfung von Waldbränden zu helfen.

Das unterstützt die Bundesregierung

In einer ersten Reaktion auf die Anfrage zeigte sich die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren offen für die Aufnahme verwundeter Ukrainer. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) legte jedoch nach langwierigen Abklärungen sein Veto ein. Das Hauptargument ist Neutralität. Neutrale Staaten dürfen verwundete Soldaten aus Kriegsländern versorgen. Unter der strengen Auslegung der Neutralität müsste die Schweiz sicherstellen, dass Soldaten nach der Bergung nicht mehr an Militäreinsätzen teilnehmen könnten, so das EDA. Dafür müsste die Schweiz bestenfalls Soldaten üben. Der Grünen-Vorsitzende Balthasar Glättli schreibt auf Twitter: «Klar ist, dass aus Gründen der Neutralität kein Soldat wieder gesund werden und dann wieder in den Krieg ziehen darf.» Aber selbst bei enger Auslegung könnten verwundete Soldaten auch in der Schweiz versorgt werden, wenn die Schweiz ihnen die Rückreise danach nicht erlaubte. Die ehemalige Nationalrätin Kathy Ricklin reagierte auf Twitter heftig. Die Organisation der Wiederaufbaukonferenz in Lugano bei gleichzeitiger Weigerung, Verwundete in Schweizer Spitäler aufzunehmen, ist unsäglich. Feldhilfe ist offenbar noch in Planung.
Korrektur: Am 18. Juli 2022 um 21.45 Uhr wir haben Ida Glanzmann zu Recht als Luzerner Nationalrätin bezeichnet. Eine frühere Version des Artikels ordnete ihn fälschlicherweise dem Kanton Aargau zu. Stephan Israel ist in Zürich aufgewachsen, hat in Genf Science Politique und in Bern Journalismus studiert. Während der Jugoslawienkriege war er Korrespondent in Südosteuropa. Seit 2002 schreibt er von Brüssel aus über das schwierige bilaterale Verhältnis und die Krisen in der EU. Mehr [email protected] Gepostet: 18.07.2022, 20:27 Einen Fehler gefunden? Jetzt melden. 99 Kommentare