20.07.2022, 11:58 Uhr

Schwarze Löcher senden normalerweise Röntgenstrahlen aus und können so entdeckt werden. Doch jetzt haben Forscher erstmals ein ganz besonderes Exemplar außerhalb der Milchstraße entdeckt. Dies ist aus zwei Gründen überraschend. Astronomen haben ein seltsames Schwarzes Loch in einer Galaxie neben der Milchstraße entdeckt. Das Besondere daran: Das Schwarze Loch in der Großen Magellanschen Wolke ist „leise“ – es offenbart sich nicht durch Strahlung, sondern nur durch seine Anziehungskraft. Den Forschern zufolge wäre es die erste Entdeckung eines ruhenden Schwarzen Lochs außerhalb der Milchstraße. Darüber hinaus ist dieses stellare Schwarze Loch laut Wissenschaftlern in der Zeitschrift Nature Astronomy offenbar durch einen „direkten Kollaps“ entstanden, d. h. ohne eine begleitende Supernova-Explosion. Das Bild des Very Large Telescope am Paranal-Observatorium der ESO in Chile zeigt die Region des Tarantula-Nebels in der Großen Magellanschen Wolke. Da ist das kürzlich entdeckte Schwarze Loch. (Foto: Europäische Südsternwarte/dpa) „Stellare Schwarze Löcher sind die Überreste massereicher Sterne, die ursprünglich mehr als die 15-fache Masse unserer Sonne hatten“, erklärt Teamleiter Tomer Shenar von der Universität Löwen in Belgien. Wenn ein solcher Stern seine Kernenergie aufgebraucht hat, kollabiert er unter seiner eigenen Anziehungskraft zu einem Schwarzen Loch. Meistens wird diese Zerstörung von einer Supernova-Explosion begleitet, bei der ein Teil der Sternmaterie in den Weltraum geschleudert wird. Astronomen vermuten, dass es Milliarden solcher stellaren Schwarzen Löcher in unserer Milchstraße und um benachbarte Galaxien, die “lokale Gruppe”, gibt. Tatsächlich sind aber nur wenige bekannt – nämlich solche, die mit einem anderen Stern ein Doppelsternsystem bilden. Schwarze Löcher saugen mit ihrer starken Anziehungskraft oft Materie aus ihrem Partnerstern. Bevor dieses Gas in das Schwarze Loch fällt, heizt es sich auf und sendet dann Strahlung im hochenergetischen Röntgenbereich aus – und enthüllt so die Anwesenheit des Schwarzen Lochs. Tatsächlich sollte es auch viele ruhende Schwarze Löcher geben, die nicht von Materie getroffen werden. Um nach solchen ruhenden Schwarzen Löchern zu suchen, haben Shenar und Kollegen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte der ESO in Chile fast 1000 massereiche Sterne in der Region des Tarantelnebels der Großen Magellanschen Wolke anvisiert. Das Team wurde schließlich fündig: Sie fanden eine verräterische periodische Bewegung um den heißen blauen Stern VFTS 243. Der Stern, der selbst die 24-fache Masse der Sonne enthält, bildet offenbar mit einem anderen Objekt mit mindestens neun Sonnenmassen ein enges Doppelsystem. Die beiden Objekte umkreisen sich alle 10,4 Tage.

Nahezu kreisförmige Umlaufbahn

Das zweite Objekt selbst bleibt vollständig unsichtbar. Die Forscher suchten im Licht von VFTS 243 nach Strahlung eines anderen Sterns – ohne Erfolg. „Aus der Masse des unsichtbaren Objekts folgt, dass es sich um ein Schwarzes Loch handeln muss“, erklären Shenar und sein Team. Und dieses Schwarze Loch ist auch leise, sendet nicht einmal Röntgenstrahlen aus, was es erstmals möglich gemacht hätte, ein solches Schwarzes Loch außerhalb der Milchstraße nachzuweisen – ein wichtiger Schritt, um abzuschätzen, wie viele solcher Objekte existieren. Aber der dunkle Begleiter von VFTS 243 hatte noch eine weitere Überraschung parat: Die Umlaufbahnen der Binärdatei sind offenbar nahezu kreisförmig. Wenn sich jedoch ein stellares Schwarzes Loch bildet, wenn der kollabierende Stern seine äußere Hülle in den Weltraum ausstößt, geschieht dies nicht symmetrisch. Das gibt dem Schwarzen Loch einen kräftigen Schub – und bringt es auf eine stark elliptische Umlaufbahn. Im Extremfall kann das Schwarze Loch sogar aus dem Binärsystem herausgeschleudert werden. Die überraschend kreisförmige Umlaufbahn deutet darauf hin, dass sich das Schwarze Loch von VFTS 243 ohne eine Supernova-Explosion gebildet hat. „In letzter Zeit gab es immer wieder Hinweise auf ein solches unmittelbares Zusammenbruchszenario“, erklärt Shenar. “Aber unsere Studie liefert möglicherweise einen der bisher direktesten Hinweise darauf.”