Brisanter Hintergrund: Wie RBB-Sprecher Justus Demmer WELT auf Anfrage mitteilte, legt der Sender sein Mammut-Immobilienprojekt Digital Media House auf Eis. In der Erklärung heißt es: „Rundfunk Berlin-Brandenburg stellt mit Blick auf das geplante digitale Medienhaus in Berlin vorübergehend alle Aktivitäten ein.“ Patricia Schlesingers Begründung: „Angesichts der gegen mich persönlich und den Sender erhobenen Vorwürfe haben wir uns zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet. Dazu gehört für uns, Verfahren nicht fortzusetzen, deren ordnungsgemäße Einleitung derzeit öffentlich umstritten ist. Um hier Klarheit zu schaffen, hat die Geschäftsführung heute beschlossen, die Planungs- und Umsetzungsarbeiten für das digitale Medienhaus vorübergehend einzustellen.” Lesen Sie auch Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Zu den Vorwürfen gegen den RBB gehören unter anderem die angebliche Fehlbewertung formeller Abendessen im Büro des Direktors und die Einstellung von Beratern für das Immobilienprojekt, die aus dem Umfeld des Vorstandschefs stammen sollen. Wolf – Dieter Wolf. Ob der Druck auf den Direktor nun nachlässt, ist fraglich. Inzwischen sind neue Dokumente aufgetaucht. Laut einem WELT vorliegenden und von Schlesinger unterzeichneten Beschlussentwurf des RBB plante der öffentlich-rechtliche Sender – zumindest bis zu diesem Montag – die Aufnahme eines Kredits in Höhe von 31 Millionen Euro – um „die angespannte Liquiditätslage des RBB zu entlasten“, wie es in heißt die Begründungen.

Kreditaufnahme mit erheblichen Folgen

Es richtet sich an die Vorstandsmitglieder, die grünes Licht für die Neuverschuldung der beitragsfinanzierten Stiftung ARD (Jahresbudget 2022 rund 567 Millionen Euro) bei einer Privatbank im sog . Umlaufverfahren bis 20. Juli. Damit sollen Investitionen für das geplante Großprojekt „Digitales Medienhaus“ gesichert werden. Laut Beschlussvorlage 38/2022 weist die Direktorin laut interner Überschrift darauf hin, dass sie „in nicht unerheblichem Umfang aus eigenen finanziellen Mitteln Vorschüsse für das Bauvorhaben geleistet hat“. Die Millionen in der Bank sind zweckgebunden, um “bereits angefallene oder noch anfallende Ausgaben im Zeitraum von 2019 bis Mitte 2023” gegenzufinanzieren. Lesen Sie auch Gehälter im öffentlichen Dienst
Wenn der Ausschuss beschließt, das Darlehen zu schließen, wie von Schlesinger gefordert, könnte dies schwerwiegende Folgen für die Beitragszahler haben. Die unterschriftsreifen Vertragsentwürfe sehen eine Laufzeit von 30 Jahren vor, sodass der Sender mit Zinskosten von bis zu einer Million Euro pro Jahr rechnet. Der scheinbar extrem hohe Kapitalbedarf überrascht Beobachter, handelt es sich doch um Anschaffungskosten, obwohl das digitale Medienhaus noch Zukunftsmusik ist und noch kein Stein gebaut ist. Auch die endgültige Entscheidung über das Projekt steht noch aus. Die enormen Anlaufkosten bleiben so oder so.

Die umstrittenen Beraterverträge

Dass die umstrittenen Beraterverträge im Zusammenhang mit dem ikonischen Werk des Regisseurs stehen, macht Schlesinger und ihrem Vorstandschef Wolf-Dieter Wolf besonders zu schaffen. Der Immobilienunternehmer Wolf bestreitet eine Geschäftsbeziehung mit den Beratern, doch jüngste Enthüllungen des Wirtschaftsportals „Business Insider“ lassen Zweifel aufkommen. Unter dem Eindruck laufender Compliance-Untersuchungen einer externen Anwaltskanzlei hatte Wolf dem Rundfunkrat bereits am Freitag mitgeteilt, dass er bis zum Abschluss der Untersuchungen vorübergehend von seinem Posten suspendiert werde. Die WELT vorliegende vertrauliche Beschlussvorlage des RBB lässt jedoch erahnen, wie viel Einfluss die Berater des Projekts auf den Deal haben. Lesen Sie auch Aus dem Vorstandsschreiben vom 8. Juli geht hervor, dass die Höhe des „erforderlichen Fremdkapitalvolumens“ auf einem von einer externen Projektmanagement-GmbH vorgelegten „Mittelabflussplan“ beruht. Auch die Verhandlungen um den 31-Millionen-Kredit hat der RBB weitgehend ausgelagert: Neben dem Finanzvorstand des Senders wurden ihm drei Berater anvertraut – darunter L., der angeblich mit Wolf in Verbindung stehende Experte. Während das Digital Media House zunächst wegen der möglichen hohen Kosten für die Mitarbeiter der Sender umstritten war und von Gegnern als „digitaler Palast“ oder „Prestigegebäude“ des Regisseurs kritisiert wurde, stiegen die Kosten stetig. Von anfänglich 60 Millionen Euro im Jahr 2020 auf mehr als 90 Millionen im Jahr 2021 und jetzt Berichten zufolge rund 150 Millionen.

Abgeordnete kritisieren RBB: „Kein würdevoller Umgang mit dem Parlament“

Angesichts der explodierenden Kosten des Gesamtprojekts fragen sich viele Beobachter, welche Rolle die unabhängigen Immobilienberater tatsächlich gespielt haben und auch, wie viel Geld die Mitwirkenden auf ihren Konten landen. Auf diesbezügliche Fragen von WELT reagierte der Sender nicht. Stattdessen heißt es dort nur: „Der RBB ist zuversichtlich, die Vorwürfe aufklären zu können.“ Die Abgeordneten des brandenburgischen Landtages, die Schlesinger hören wollten, zeigen sich jedenfalls wenig beeindruckt von dem kurzfristigen Abgang. CDU-Fraktionsvorsitzender Jan Redman sagte: „Mit der Absage an den Manager vergibt er die Chance, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Es ist auch nicht anständig, mit einem Parlament umzugehen, das den RBB unterstützt. Dies wird in der Sitzung besprochen.” Der Ausschuss zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF), eine Art Bundesrechnungshof für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, hatte das RBB-Großprojekt bereits in seinem im Februar 2022 vorgelegten Zwischenbericht zur Kostensituation der Sender ARD kritisiert. Hintergrund der Kritik: Mangel der Transparenz. „Die Kommission“, so die Finanzaufsichtsbehörde dort, „hat Zweifel an der finanziellen Machbarkeit und Notwendigkeit der Maßnahme und hält weitere Erläuterungen für erforderlich“.