Ab: 21.07.2022 18:24 Uhr                 

Zum Zoll, zur Atomkraft, gegen die Ampelregierung: Beim CSU-Sommertreffen wird deutlich, wie sehr die Partei und Söders Chef noch mit ihrer neuen Strategie zu kämpfen haben. Aber wohin führt das?

Heftige Kritik an der Ampel und viele eigene Forderungen: Die CSU erreicht die Bundesopposition in der Opposition, wie die Sommerfrische der Bundestagsabgeordneten im oberfränkischen Kloster Banz zeigt. Ihre To-do-Liste für die Bundesregierung ist lang – Atomkraft ausbauen, Raketenabwehrschild, neue Freihandelsabkommen, Unternehmenssteuerreform, Ausstiegsprämie für Haushaltsgeräte und mehr.

Vielleicht wichtiger als die einzelnen Forderungen ist die Botschaft, die das Treffen aussenden soll: Die CSU will wie ihre große Schwesterpartei CDU wieder für Stärke und Stabilität stehen. Nach der Bundestagswahl umwehten die Christsozialen leise Selbstzweifel: Wie groß war der Beitrag von Markus Söder zum schlechten Abschneiden der Union bei Armin Laschet nach seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur? Wie kann die CSU im sich verändernden Bayern die Nummer eins bleiben oder gar zu alter Macht zurückkehren?

Söders Strategiefrage

Vor allem die Frage der Strategie beschäftigt die Christlichsozialen immer mehr. Seit er 2018 das Kanzleramt übernahm, hat sich Söder öfter neu erfunden: zunächst wild und für viele lästig („Asyltourismus“), mittlerweile als fürsorglicher Landesvater mit Schwerpunkt Insektenrettung. In der Corona-Zeit war Söder streng und ängstlich, seine Umfragewerte hatten zwischenzeitlich enorme Höhen erreicht. Irgendwann ärgerte er viele mit seiner ständigen Warnung – und kündigte schließlich seinen Wechsel zu „Team Freedom“ an.

Und jetzt vor der Landtagswahl in gut einem Jahr, die der CSU-Chef zur “Schicksalswahl für Bayern” erklärt hat? Wen Söder im anstehenden Landtagswahlkampf vorantreibt, ist vage erkennbar. Neben der beharrlichen Kritik an den Ampeln in Berlin, dem vermeintlichen Hass auf Bayern, experimentiert er derzeit mit Identitätspolitik. Gegen Gender, gegen Trachten, gegen veganes Essen, gegen altbayerische Metzger usw. „Wir sind weltoffen – nicht provinziell, sondern werteorientiert“, sagte Söder nach Angaben von Teilnehmern vor Abgeordneten im Kloster Banz.

Söder beim Volksfest, Söder bei der Feuerwehr

Ansonsten setzt der Ministerpräsident auf Nähe, Nähe, Nähe: Söder beim Volksfest, Söder bei der Feuerwehr, Söder beim Sambafest in Franken. Der Parteichef erwartet viel davon: „Telefonkonferenzen kann jeder, Bierzelte kann nur die CSU“, sagte er Banz-intern. Damit zielt die CSU wieder auf die sogenannten Stammwähler. Das ist zumindest eine kleine Kurskorrektur: Nach der Bundestagswahl war eine der zentralen Erkenntnisse, die vielen Neuankömmlinge in Bayern zu erreichen – die vielleicht nicht so euphorisch auf Trachten- und Wurstbegeisterung sind.

Wiederkehrende Querelen zwischen Grünen und FDP, die schwierige Energiesituation: Die Zeiten sind nicht so schlecht für die Opposition, zu der inzwischen auch die CSU gehört. Aber: In Bayern regiert nach wie vor das Volk – und das seit fast 70 Jahren ohne Unterbrechung. Und auch auf Bundesebene ist die ständige Kritik an Ampeln das eine. Denn der Wettbewerb hebt hervor: Bis vor kurzem war die CSU Teil der Bundesregierung in jenen 16 Jahren, in denen beispielsweise die Abhängigkeit von russischer Energie immer größer wurde.

Machtbewusste CSU

Auch andere Angriffsflächen gibt es, wenn auch schwächelnd: die Masken-Deals der ehemaligen CSU-Abgeordneten Sauter und Nüßlein, der Plagiatsverdacht gegen den neuen Generalsekretär Martin Huber, die gescheiterte Automaut und ihre teuren Folgen.

Wer sich umhört, in der CSU und anderswo, bekommt im Herbst 2023 ganz unterschiedliche Maßstäbe für Söders Wahlergebnis in Bayern. Manche sagen: Auch mit 33 Prozent kann er Ministerpräsident bleiben, sofern er schnell eine stabile Koalition aufbaut.

Andere meinen: Auch 35 Prozent könnten der machtbewussten CSU zu wenig sein, vor allem, wenn Söder statt dem bisherigen zwei Koalitionspartner bräuchte. Und wer es mit dem CSU-Chef nicht so gut meint, legt die Messlatte auf 40 Prozent.

Söders Stammklientel-Fokus

Wie gut die Kombination aus Söders natürlicher Menschennähe, Berlin-Schelte und Fokus auf Stammkunden funktioniert, werden die kommenden Monate zeigen. Auch die Christlichsozialen haben ihr Hauptthema für den Wahlkampf noch nicht. Das Nein zum übermäßigen Lkw-Verkehr in Südbayern sollte ohnehin nur auf regionaler Ebene funktionieren.

Wird das von der Landesregierung erklärte „Umsetzungsjahr“ für Söders bayerische Pläne von der Hightech-Agenda bis zum Wohnungsbauboom die Wähler überzeugen? Bringt die Protesteinheit mit der CDU unter Friedrich Merz die verängstigten Konservativen zurück? Das alles ist Teil des großen Puzzles, in dem sich die CSU gerade befindet. Ob das Puzzle am Ende ein stimmiges Bild liefert, dürfte auch darüber entscheiden, wie Söders Karriere weitergeht.