„Unser Sohn war vom Lebensmittelpunkt losgelöst“, sagt Ingrid Döbberthien. Denny Döbberthien lebte bis zu seiner Erkrankung in Friedrichshain, arbeitete als selbstständiger Bankkaufmann und beriet Unternehmen in Steuerfragen. Sie habe einen großen Freundeskreis und sei überall sehr beliebt gewesen, betont sie. Aber letzten Oktober, über Nacht, konnte es nicht mehr richtig artikuliert werden. „Er rief uns spät in der Nacht an und wirkte sehr verwirrt und widersprach sich ständig“, erinnerte sich der 61-Jährige an den Anruf. Atemlos erzählte er den Eltern, dass er gerade zehn Stunden in der Notaufnahme verbracht habe, weil sein Gehirn eine Fehlfunktion habe. Nachdem er vom langen Warten hungrig war, ging er nach der Prüfung nach Hause. „Leider haben wir damals nicht richtig reagiert und dachten, Danny sollte erstmal schlafen gehen und am nächsten Morgen sieht das schon wieder ganz anders aus“, erklärt Ingrid Domberthien mit tränenerstickter Stimme. Bis heute macht sie sich Vorwürfe, dass sie nicht erkennen konnte, wie schlimm es um ihren Sohn stand. Am nächsten Morgen erhielten die Eltern den Anruf einer Mitbewohnerin, dass ihr Sohn mit dem Krankenwagen in eine Berliner Klinik gebracht worden sei. Er hatte versucht, den Fernseher mit seiner Brieftasche statt mit der Fernbedienung einzuschalten. Daraufhin verschlechterte sich sein Zustand so sehr, dass die Ärzte ihn in ein künstliches Koma versetzen mussten, bevor sie ihn überhaupt untersuchen konnten. Als sie Wochen später versuchten, ihn aus der Langzeitnarkose zurückzuholen, fiel er ins Koma. Nach einer MRT diagnostizierten die Ärzte bei ihrem Sohn eine progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML), eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Patienten wie Denny Döbberthien fällt plötzlich das Sprechen und Denken schwer, sie wirken ungeschickt und schwach. PML wird durch eine Virusinfektion verursacht, die möglicherweise in der Kindheit begonnen hat. Menschen, die unter einem schwachen Immunsystem leiden, sind besonders anfällig dafür. Viele der Betroffenen haben einen schweren Krankheitsverlauf und versterben innerhalb der ersten neun Monate. Bei einigen wenigen wirken jedoch auch Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, erfolgreich und sie erholen sich allmählich, nachdem sie abgesetzt wurden. Gerd Engelmann Denny Döbberthien ging gerne zu den Spielen seines Lieblingsklubs Union. „Niemand kann eine verlässliche Prognose abgeben und uns sagen, ob unser Sohn jemals wieder zum Leben erweckt wird“, sagt Ingrid Döbberthien leise. Derzeit ist er in einem Pflegeheim in Brandenburg untergebracht, 20 Kilometer vom Wohnort seiner Eltern entfernt. Dort wird er künstlich ernährt und rund um die Uhr überwacht und versorgt. Eltern fahren ihr Kind mehrmals pro Woche. Erst gestern spielte Ingrid Döbberthien ihrem Sohn an seinem Bett die Hymne des 1. FC Union Berlin vor. Vor seiner Krankheit war er ein großer Fan des Fußballvereins. „Wir wissen nicht, was er hören wird“, sagt sie. In ihrer Hoffnung klammert sich die Mutter an jeden Grashalm. Auf dem Online-Portal gofundme.com haben Ingrid Döbberthien und ihr Mann Frank-Peter jetzt einen Spendenaufruf gestartet. Das Paar hofft, 24.000 Euro zu sammeln. Für Sonderbehandlungen inkl. Transport und Begleitung in Berlin, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden. „Eigentlich hat uns ein emeritierter Medizinprofessor eines Berliner Krankenhauses diese Behandlung empfohlen“, erklärt Ingrid Döbberthien. Transkranielle Pulsstimulation wird typischerweise bei Alzheimer-Patienten verwendet. Ziel ist es, mit einem Gerät mit gezielten Ultraschallwellen die Leistungsfähigkeit von Nervenzellen in ausgewählten Bereichen des Gehirns zu beeinflussen.
hoffen auf Heilung
Die Döbberthiens glauben, dass diese Behandlung den Krankheitsverlauf ihres Kindes positiv beeinflussen könnte. Auf die Frage der Berliner Zeitung in einer neurologischen Abteilung einer Berliner Klinik, ob ihnen dieses Verfahren bekannt sei, wollte man sich öffentlich nicht äußern. Von dem genauen Vorgehen hat sich die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bereits distanziert, da der Ausgang nicht ganz klar ist und Hoffnungen auf Heilung für die Betroffenen und ihre Angehörigen weckt, die sich möglicherweise nicht erfüllen. „Die Studie, die weithin als Wirksamkeitsbeweis zitiert wird, untersuchte 35 Demenzpatienten, die wahrscheinlich an der Alzheimer-Krankheit litten (eine sehr kleine Gruppe). Es gibt keine Vergleichsgruppe, die eine äußerlich unauffällige, aber unwirksame Behandlung (Placebo) erhalten hat. Auf dieser Grundlage kann keine Aussage über die Wirkung einer Behandlung getroffen werden“, so die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Und weiter: Dazu ist eine methodisch sorgfältige Untersuchung in einer größeren Stichprobe und im Vergleich mit einer Kontrollgruppe notwendig. Zudem wird die Studie von dem Unternehmen finanziert, das die jeweiligen Geräte vertreibt. Doch die Hoffnung auf Heilung will das Paar nicht aufgeben. Trotz der vielen Rückschläge, die die Familie ertragen musste. Im April kündigte der Vermieter ihres Sohnes nach 22 Jahren seine Wohnung im Samariter-Kiez in Friedrichshain. Rechtlich ist das unbestritten, da Denny Döbberthien wegen fehlender Einnahmen bereits zwei Monate mit der Miete im Rückstand war. Die Eltern werden durch die Krankheit ihres Sohnes mit einer großen finanziellen Belastung konfrontiert. Sie mussten die Wohnung räumen, Möbel für sein Zimmer zu Hause kaufen und auch medizinische Versorgung bezahlen. Außerdem fahren sie monatlich zwischen 500 und 600 Kilometer zum Pflegeheim. „Wir wissen noch nicht, wie viel Geld wir vom Sozialamt zurückbekommen“, sagt Ingrid Döbberthien. Sie ist erschöpft. Unsicherheit und Angst um ihren Sohn rauben ihr und ihrem Mann die Kraft. Sie sind beide Rentner und haben sich ihr Alter anders vorgestellt. Aber du musst jetzt stark sein. Nicht nur für ihr erwachsenes Kind, sondern auch für ihre drei Enkelkinder und ihre Tochter, die sie ebenfalls brauchen. „Es bringt nichts, wenn wir jetzt aufgeben“, sagt Ingrid Döbberthien. Er hofft so sehr auf ein Wunder.