Die Bundesanwaltschaft geht seit den frühen Morgenstunden gegen viele rechtsextreme Gruppierungen vor. In elf Bundesländern werden 61 Artikel gesucht. Im Fokus stehen „Combat 18“ und „Knockout 51“. Von Michael Götschenberg und Holger Schmidt, ARD-Terrorexperten, und Frank Brautigam, ARD-Rechtsexperte

Die Gruppierung „Atomwaffenabteilung Deutschland“ ist nach Ermittlerangaben eine Terrororganisation. Sie ist offen rassistisch, antisemitisch, lobt Gewalt und unterstützt den Beginn eines Waffenkriegs. 2018 tauchte das Team erstmals im Internet auf. Lange Zeit war unklar, wie ernst es genommen werden sollte. Nun hat die Bundesanwaltschaft entschieden und ermittelt gegen zehn Verdächtige. RBB Michael Götschenberg ARD Hauptstadtstudio Logo

„Combat18“ wurde verboten

Zudem wurde gegen mindestens 20 Personen ermittelt, die der verbotenen Gruppierung „Combat 18“ angehören.

Zahlen sind ein Kultsymbol für Neonazis und Rechtsextreme. “88” bedeutet “Heil Hitler!” – weil H der achte Buchstabe des Alphabets ist. Wer sich also „Combat 18“ nennt, will die „Adolf Hitler Battle Unit“ sein. Die „C18“ ist in Deutschland seit mehr als einem Jahr wegen ihrer rechtsextremen, neonazistischen und fremdenfeindlichen Haltung verboten. Für das Verbot der Vereine war das Bundesinnenministerium zuständig. Jetzt geht es um Strafanzeigen. Die Generalbundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, den Betrieb der C18-Gruppe in Deutschland fortgeführt zu haben.

Top-Mitglieder der Szene

Die Bundesanwaltschaft hat heute eine Großrazzia gegen die Personen durchgeführt, die die C18 in Deutschland weiter betrieben haben sollen. Unter ihnen sind Spitzenkräfte der deutschen Neonazi-Szene. Diese Forderung steht im Zusammenhang mit dem Ausschluss des Vereins im Jahr 2020. Denn laut Strafgesetzbuch (§ 85) ist es verboten, einen Verein zu unterhalten. Die Bundesanwaltschaft kann in einem solchen Fall wegen “besonderer Bedeutung” ermitteln.

Behörden in Großbritannien

Die Gruppe wurde Anfang der 1990er Jahre in Großbritannien als Sicherheitstruppe der rechtsextremen British National Party (BNP) gegründet. Bald wurden internationale Niederlassungen gegründet, auch in Deutschland. Seit Ende der 1990er-Jahre erfasst der Verfassungsschutz Aktivitäten lokaler C18-Gruppen im Zusammenhang mit Rechtsrock- und Neonazi-Veranstaltungen. C18 versuchte, sich als „bewaffneter Arm“ der neonazistischen Blood & Honour-Bewegung zu etablieren – einer Vereinigung rechtsextremistischer Gruppen, deren Slogans und Symbole offen auf Gruppen des Dritten Reichs wie der „Hitlerjugend“ oder „ SS“ und „SA“.

Wenden Sie sich an Beate Zschäpe

2007 schoss ein C18-Mitglied in einem Supermarkt in Dortmund auf einen Tunesier und verletzte ihn schwer. Spätestens diese Gewalttat zeigte den Ermittlungsbehörden das Gefahrenpotential der Gruppe auf – und das, weil eine Schusswaffe im Spiel war. Der damalige Täter hieß Robin S. und gehört nach Informationen des SWR und des ARD-Hauptstadtstudios heute zu den Tatverdächtigen in den Ermittlungen.

Er wurde wegen schwerer Erpressung wegen Raubes in Dortmund zu acht Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis begann er, sehr persönliche Briefe an die NSU-Terroristin Beate Zschäpe zu schreiben. Zschäpe antwortete – seitenlang und sehr vertraut. Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen hat die Schreiben zur Kenntnis genommen und damals die Bundesanwaltschaft informiert.

Weitere Kontakte zum NSU

Der Briefwechsel zwischen Zschäpe und Robin S. ist nicht die einzige Verbindung des C18 mit den Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Terrorhelfer wie der im NSU-Prozess verurteilte Neonazi Andre Eminger schlossen sich in den 2000er Jahren der Blood & Honour-Bewegung an, zu der der C18 gehört. Im Prozess vor dem Landgericht München versuchten die Anwälte der Opfer wiederholt nachzuweisen, dass die drei Haupttäter direkte Verbindungen zu C18-nahen Personen hatten. Personen, die nun unter den Beschuldigten des laufenden Verfahrens sind.

Verzögertes Verbot von „Combat 18“

„Combat 18 Germany“ wurde im Januar 2020 vom Bundesinnenministerium offiziell verboten. Allerdings waren dieses Verbotsverfahren und seine Umsetzung schon damals umstritten. Es kommt zu spät und ist im Wesentlichen wirkungslos, sagten Kritiker. Denn der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verkündete das Verbot öffentlich und hielt Combat 18 für eine „menschenverachtende Haltung mit rechtsextremen und antisemitischen Unruhen“. Andererseits wurde Seehofer durch ungeschickte Aktionen und öffentliche Ankündigungen innerhalb der Sicherheitsbehörden sogar vorgeworfen, C18 durch seine leichtsinnigen Äußerungen vor dem Verbot gewarnt zu haben.

Sicher ist, dass die Sicherheitsbehörden nach der Sperre zunächst kein belastbares Material zu den mutmaßlichen Mitgliedern fanden. Doch offenbar gingen die Mitglieder weiter, sie hätten sich unter anderem unter dem Vorwand von Geburtstagsfeiern getroffen und Pläne geschmiedet.

Auch im Hinblick auf “Knockout 51”.

Ermittler haben es auf eine andere Gewerkschaft in Eisenach abgesehen: Knockout 51 soll mit illegalen Streifzügen in Eisenach einen „Nazi-Kiez“ in der Stadt errichtet und militante Proteste gegen das Coronavirus gestartet haben. Die Generalstaatsanwaltschaft stuft die Gruppe als kriminelle Vereinigung von besonderer Bedeutung ein und hat Haftbefehle gegen die mutmaßlichen Mitglieder Leon R., Max A., Eric K. und Bastian A. erlassen. Spezialkräfte untersuchen derzeit mehrere Wohnungen in Eisenach. Wir erinnern uns an eine kürzliche selbsternannte Trennung von “Knockout …